Warum bleibt man an seinem Arbeitsplatz eher stehen als an
anderen und wie schafft er es, dass jeder neben ihm sitzen will?
Ein Interview mit Florian Dengler.
FAST LANE
Wohnort: Berlin
Url: http://www.florian-dengler.com
Company: Steilmann-Gruppe
Hardware: IBM ThinkPad :-(
Software: Windows XP plus sämtlicher Design- und Präsentationssoftware
Was liebst Du: Mit Menschen zusammen sein die mir wichtig sind
Was hasst Du: Unfreundliche Menschen
SLOW LANE
Wo befindest Du Dich gerade und wie spät ist es?
05:39 AM, ICE Alice Salomon nach Bochum
Was war Dein erster Berufswunsch an den Du Dich in Deiner Kindheit
erinnern kannst?
Geisterbahnbesitzer
Wie bist Du dazu gekommen Dich für Gestaltung zu interessieren.
Was war der erste Impuls an den du Dich erinnern kannst?
Mutter Keramikerin,Vater Maler, da denkt jeder man hätte es in die
Wiege gelegt bekommen. Bei meinen Eltern zuhause stolpert man auch noch
heute über hunderte meiner Bilder, Amphittheater aus Papier und einen
kompletten Friedhof aus Tongräbern. Wir hatten keinen Fernseher, da musste
man mich ja mit irgendwas beschäftigen
Dein Studium hast du am College of Design in La Tour (Schweiz)
absolviert. Wie kam es, das es Dich dazu in die Schweiz gezogen hat?
Damals war gute Designausbildung in Deutschland nicht weit verbreitet
und nachdem ich alle internationalen Schulen gescreent hatte, kam ich auf das
ACCD in Pasadena in Kalifornien. War weit weg, unglaublich teuer, aber hatte
aber einen Ableger in der Schweiz. Nicht ganz so weit weg und nicht ganz so
teuer. Ein ziemlich gutes College, knallhart und effektiv. Konnte sich in
der Schweiz aber nur 10 Jahre halten, heute wohnt in den Gebäuden die unsägliche
Country-Sängerin Shania Twain. Ein Zeichen?
Was war Deine nächste Station nach dem Studium und was Deine Aufgaben?
Ich hab mich bei zehn Agenturen in London beworben... keiner wollte
mich, und wenn dann nur ohne Bezahlung. Äußerst frustrierend.
Ich bin dann nach Turin zu Carré Noir, einer Designagentur und habe
dort in Illustrator Anmeldeformulare für italienische Mobilfunkanbieter
gebaut. Ohne ein Wort Italienisch zu können. What can i say?
Wie bist Du zu Pixelpark bzw. Musicpark gekommen?
Ich saß etwas unglücklich in Mailand vor dem Dom, um für einen Tag den
Formularen zu entkommen und blätterte in der WIRED, damals noch sehr hip,
und las eine Stellenanzeige von Pixelpark. Hatte keine Ahnung was das war,
keine Idee von “Mulitmedia", hatte von Berlin nur die Kinder vom Bahnhof
Zoo im Kopf und soeben bei Carré Noir unterschrieben. Und trotzdem hatte
ich das Gefühl, dass ich da hinmüßte.
Du hast ja bei Pixelpark recht schnell viel
Verantwortung übernehmen müssen. Gab es Situationen in denen Du die Hose
gestrichen voll hattest? Welche Situationen waren das und wie bist Du
damit umgegangen?
Als ich bei Pixelpark anfing, waren wir so um die 80 Leute und der Laden
boomte. Ich wußte nur wenig von digitalen Medien, im Meagaquarium sassen
Peter Saville und Paulus Neef und dachten sich Wildpark aus und ich war
fest davon überzeugt, dass jeden Moment jemand kommt und mir auf den Kopf
zusagt, dass ich keine Ahnung von dem ganzen Thema habe. Mein Plan:
Augen zu und durch. Angst hatte ich immer wieder, aber aufgeben kam nicht
in Frage. Raus aus der Präsentation vor dem einnickenden Versicherung-Vorstand,
rein in die Präsentation vor den cholerischen Pharmazie-Entscheidern. Morgens
fliegen, tagsüber präsentieren und nachts arbeiten. Das ging recht
lange so und hat ziemlich Spaß gemacht. Weil ich ein hervorragendes
Team hatte und mit den spannendsten Leuten arbeiten konnte. Egal was
viele sagen, Pixelpark war damals ganz weit vorn.
Hast Du Dir Beruflich jemals Ziele gesetzt? Wenn ja: sind sie in Erfüllung gegangen?
Es ging alles so schnell, daß ich eigentlich nie Zeit hatte, darüber
nachzudenken, was als nächstes kommt und ob das was war, richtig war.
Die Titel wurden immer länger, das Geld war ok, obeflächlich war alles
in Ordnung. Aber nicht entscheidend.
Wichtig war und ist es für mich, in einem guten Team zu arbeiten,
spannende Jobs zu machen und Leute zu haben, von denen ich nochwas
lernen kann. Und das hat fast immer gepasst.
Nur manchmal wünsche ich mir, einen T-Shirt-Laden in Mitte zu haben,
morgens um 11 Uhr aufzumachen, abends um 6 Uhr wieder zu, und ab und
zu ein T-Shirt zu entwerfen. Oder ein kleines Hotel auf den Malediven,
oder...
Es gibt ja immer Dinge von denen man sich wünscht sie mal irgendwann
einem Kunden "verkaufen" zu können. Welche sind das und welche hast davon unterbringen können?
Ich habe oft mit sehr guten Designer zusammengearbeitet, und deren Arbeit
zu verkaufen war bei unmutigen, uneinsichtigen Kunden nicht immer einfach.
Hat auch nicht immer geklappt. Wobei ich einem Kunden nichts verkaufen
würde, wenn ich überzeugt bin, dass er es nicht braucht. Es sei denn er
verdient es. Aber es erstaunt mich heute schon manchmal, was wir für Bayer, Barmer,
Nestlé und einige andere gemacht haben und wie mutig mein Team und die
Kunden waren.
Gibt es kleine Tricks, die du mit Deinem Team angewandt hast um einem
Kunden eine Idee schmackhaft zu machen?
Sich wirklich in den Kunden und seine Kunden hineinversetzen und
bis morgens um 5, in letzer Sekunde, eine richtig gute Präsentation bauen. Hat fast immer geklappt...
Was war die Erfolgreichste und welche die peinlichste Situation bei
einer Präsentation?
Erfolgreich war es immer dann, wenn beim Online-Start das zu sehen war,
was man vorher strategisch und konzeptionell verkauft hat. Mit fortschreitender
Technologisierung wurden die Chancen immer unwahrscheinlicher.
Peinlich, wenn auch 3 Wochen nach dem Online-Start alles voller Bugs ist.
Und richtig peinlich, als mir eine Minute vor der Barmer-Vorstands-Präsentation
die nagelneue Helmut-Lang-Hose komplett aufgerissen ist, als ich unter dem Tisch
am Beamer rumgebastelt habe...
Was war Deine grösste Freude bei Frogdesign und was die größte Enttäuschung?
Der größte Spaß war es, in Berlin ein Team mit fantastischen Leuten aufbauen zu
können und den Namen frog tragen zu dürfen. Die größte Entäuschung war zu entdecken,
was hinter dem Namen frog sonst noch so alles steckt. Und damit das Team zu verlieren.
Was war die größte Umstellung für Dich nachdem Du von frogdesign zu
Steilmann gewechselt bist?
Von der Agentur zum Kunden ist natuuml;rlich ein Riesenschritt. Und von Berlin nach Bochum ein ähnlich großer...
Wahrscheinlich ist es nur gerecht, wenn jetzt jeden Tag fünf Agenturen anrufen und fragen: “Herr Dengler, haben Sie sich schon mal Gedanken über das Internet gemacht? Wir hätten da ein tolles Angebot für Sie..." Also genau das, was vorher mein Business war, nämlich Neukundenakquise, holt mich nun richtig ein.
Jetzt weiß ich ziemlich genau, was mit den ganzen Mails, Booklets und Broschüren passiert, die man mit warmen Worten an die Marketing-Abteilungen dieser Republik schickt.
Es ist aufregend, den kompletten Auftritt eines großen Unternehmens komplett neu gestalten zu können. Die Resonanz auf die Arbeit ist eine ganz andere wenn man im Unternehmen ist, anstatt alle drei Wochen mal zu präsentieren. Die neue Branche und ihre Berufsfelder, Fachbegriffe, Prozesse, Marktentwicklungen als seine eigene zu betrachten, das ist ein anstrengender aber spannender Weg.
Weniger schön ist die Erkenntniss, daß man auch auf der “wenn-ich-da-wäre-würde-ich-alles-anders-machen"-Seite nicht alles anders machen kann. Sachzwänge, strategische Entscheidungen, Budget, vieles was ich vorher beim Kunden nicht immer nachvollziehen konnte, wird jetzt zu wichtigen Entscheidungsparamteren meines Handelns.
Was ist Deine derzeitige Arbeitssituation Was sind Deine Aufgaben?
Ich bin als Creative Director Marketing der Steilmann Gruppe verantwortlich für
den visuellen Auftritt nach innen und außen. Das umfasst alles von Stationery
über Kollektionspräsentation, Messeauftritt, POS und Broschüren, bis hin zu Internet
und LKW-Beschriftung. Steilmann ist einer der größten Modekonzerne und gerade dabei,
seine Ausrichtung und seine Strategie komplett zu erneuern. Es gibt also einiges zu
tun, in einem noch kleinen Team, das ich langsam mit Freelancern und Agnturen
ausbauen möchte. Dazu bin ich von Dienstag bis Donnerstag vor Ort, den Rest der
Woche arbeite ich von Berlin aus.
Arbeitest Du heute genauso, wie Du vor 5 Jahren gearbeitet hast?
Ich hoffe nicht! Wobei eines ganz wichtig ist: immer freundlich bleiben!
Gibt es ein Thema, welches Du gerne mal bearbeiten würdest?
Jeden Tag sieht man schlechte Kommunikation, die man selber besser machen
könnte. Und man sieht auch gute Kommunikation, bei der man sich dann wünscht,
sowas auch mal hinzubekommen. Es gibt also noch einiges zu tun. In allen Bereichen.
Welchem Job würdest Du am liebsten nachgehen, wenn Du nicht als
Designer arbeiten könntest?
T-Shirt-Laden, kleines Hotel, alles mögliche, aber mit Design wird es wohl immer irgendwie zu tun haben.
Welche Entwicklung der letzten Jahre hat Dich im Online Bereich am meisten beeinflusst.
Jede Website mit gutem Konzept und Design. Wobei ich Technologien wie Flash mittlerweile
für überbewertet halt. Seltsam, kaum sitzt man beim Kunden, sieht man alles anders...
Thomas Noller hat in seinem Interview bei bigsexyland bemängelt,
dass es im Netz mittlerweile eher zu einem Kreativen Stillstand gekommen ist.
Wie ist Deine Meinung zu dieser Beobachtung und was wäre ein möglicher Ausweg?
Ich finde das nicht. Klar, die Anfangseuphorie ist verklungen und bahnbrechend neue
Technologien sind gerade nicht am Start. Aber die wirklich perfekte Website gibt
es immer noch nicht. Auf der einfach alles stimmt. Es ist also noch viel Platz für
Kreativität und ich denke es gibt genügend Leute, die daran arbeiten. Es wird nur nicht
mehr soviel darüber geredet wie früher. Eigentlich doch ein gutes Zeichen...
Welche Entwicklung des Onlinemediums bewertest Du aus Usersicht als negativ und was als positiv?
Das eine Problem ist, dass viele Sites immer mehr angleichen und dadurch langweilig werden. Das andere Problem ist, dass viele Sites versuchen, diese Langeweile durch ein gekonntes Flashintrofile zu vertreiben.
Positiv ist, dass man das Internet langsam als Tool benutzen kann, denn nichts anderes ist es für mich im Moment noch.
Wo siehst du die Zukunft für Unternehmen im Netz?
Jedes Unternehmen muß drin sein. Mit Adresse, Telefonnummer, E-Mail und Hard-Facts.
Und wessen Business es erlaubt, der muß richtigen Mehrwert reinpacken.
Und das haben im Jahre 8 nach Internet-Beginn immer noch nur wenige geschafft.
Wo siehst Du die Zukunft für den User im Netz?
Im Moment wie gesagt noch Toolcharakter. Seitdem ich viel von zuhause aus surfe
verwünsche ich jeden, der fette Grafiken auf die Seite packt und keine Ahnung
von Interfacedesign hat. Ich will das Netz nutzen und nicht lange nach dem
“Weiter"-Button suchen. Längerfristig kommen andere Aspekte dazu, zum Beispiel
Entertainment, aber im Moment geht das bei mir über Bild-Online und US-Trailer
bei Apple noch nicht hinaus.
Wo siehst Du die Zukunft in technologischer Sicht?
Klar sind Wireless und Broadband immer noch Themen. Aber wir reden jetzt schon
so lange davon und richtig passiert ist wenig. Gewapt hab ich zweimal, war blöd.
Jetzt würde ich gerne meine Mail im Zug abrufen, geht aber nicht. Warum dann also
über UMTS fantasieren. Wobei ich, seitdem ich mein T68i besitze, ein bisschen anderer
Meinung bin. 16-Bit-Bilder per Infrarot auf das Mobile zu senden, toll...
Liest Du zzt. ein Buch/welches?
Ich lese zwei amerikanische Bücher über Marketing und Management. Und damit ich dabei
nicht einschlafe “Das Jesus Video" von Andreas Eschbach. Bringt einen auf andere Gedanken.
Und dann natürlich Spruce und Vogue und Bunte und Form... aber das sind ja keine Bücher...
Was denken Deine Eltern über das, was Du tust?
Sind schon stolz, auch wenn ich jedes mal wieder erklären muß, was ich denn jetzt
genau mache. Vorher was mit Internet, jetzt was mit Mode...
Lass uns am Ende des Interviews noch einmal zu Deinen ganz intimen
Wünschen zurückkehren. Ich habe mal gehört, dass Du an einer eigenen
Homestory in der GALA extrem zu begeistern wärst. Wird es Sie
irgendwann geben und was wären die möglichen Headlines zu dieser Story?
Ersten hab ich noch nicht die richtige Wohnung dazu, zweitens interessiert sich
im Moment kein Mensch für mich. Die Glamour-Pixelpark-Zeiten sind vorbei.
Aber ich habe von guten Freunden eine gefakte Gala bekommen, von der echten nicht
zu unterscheiden. Die Headline war: "... diesen Luxus muß man sich leisten."
Wo wirst Du sein, wenn Du 65 bist und was wirst Du tun?
Ich arbeite schwer daran, keine finanziellen Sorgen mehr zu haben, bis 65
könnte das klappen. Wenn es mir dann noch gelingt, alle meine guten
Freunde zu behalten und den einen Menschen mit dem man alt werden möchte...
dann mach ich meinen T-Shirt-Laden in Mitte auf, wobei das 2035 wahrscheinlich
nicht mehr der geeignete Ort dafür sein wird.
Vielen Dank für das Interview...
05|2002 Björn Hansen
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