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INTERVIEWS LESEN.  KOMMENTARE.
THOMAS NOLLER
Als ich 1999 von Pixelpark zu MetaDesign wechselte, kam ich vor allem wegen der Leute, mit denen ich zusammenarbeiten wollte. In meinem neuen Team befand sich ein Typ, der ziemlich viel arbeitete und wenig Zeit zum reden hatte. Meist schimpfte er mit seinem Rechner. Irgendwann sagte mir jemand: "Das ist Thomas Noller, der hat Typospace gemacht..."Da war ich mir sicher, hier bin ich richtig.


FAST LANE

Wohnort: nirgendwo
Url: http://www.typospace.com
Company: Method, Inc.
Hardware: G4 Titanium
Software: Photoshop, Flash, BBedit, Golive
Was liebst Du: Frauen, Fußball, Antonioni Filme
Was hasst Du: generell: Angeberei und Fanatismus. im Augenblick: Web Design

SLOW LANE

Wo befindest Du Dich gerade? In Darmstadt, bei meinen Eltern.

Als ich ca. 1997 das erste mal die Version 1.2 von Typospace sah, war ich ziemlich beeindruckt. Die Site war gestalterisch und technisch sehr aufwändig. Wie gehst du heute mit Typospace um? Was hat sich geändert?
Die Site hat sich in den letzten 2 Jahren kaum verändert. Einmal, weil ich von Grund auf ein fauler Mensch bin, zum zweiten, weil ich ziemlich viel beruflich mit Method zu tun hatte, zum dritten, weil ich in New York mein Powerbook mit allen Daten und updates im Taxi liegenließ (und niemals wieder sah) und zu guter letzt weil ich mich gefragt habe: was soll das eigentlich alles noch?

Wenn man heute Typospace besucht, gelangt man auf die Seite "taking a break". Könntest du uns mehr darüber sagen?
Ich finde, daß das gegenwärtige Webdesign zu einem kreativen Stillstand gekommen ist. Man hat vor ein paar Jahren Flash entdeckt und jeder von Praystation bis yugop schreibt immer aufwendigeren Code der immer inhaltsleerer erscheint. Joshua Davis, z.B, den kenne ich schon sehr lange. Wir haben 1995 zusammen in einem schäbigen Büro gesessen und für unsere damalige Schule gearbeitet (Pratt Institute in New York). Da waren wir beide noch völlig unbekannt. Das ist ein ganz interessanter Typ mit einem sehr interessanten Lebenslauf. Ich fände es viel interessanter wenn der mal was über sein Leben machen würde als noch eine Version von sich überlagenden Farbflächen.

Was ich sagen will ist: je älter man wird (und mit 37 gehöre ich ja schon zum alten Eisen) um so mehr sucht man nach den menschlichen, persönlichen, emotionalen Aspekten und um so uninteressanter werden diese Code Kindereien. Ich finde, daß sogenannte cutting edge webdesign ist furchtbar langweilig, kalt, akademisch und in zunehmendem Maße uninteressant. Man kann zwar die technische Raffinesse bewundern, aber dahinter ist nichts. Keine Botschaft, keine Meinung, keine Gefühle. Das ist tatsächlich alles Oberfläche.

Ich habe irgendwann einfach mal den Sinn und Zweck von typospace nicht mehr gesehen, obwohl die Leute mir ja nach wie vor mails schicken und sich Sachen runterladen. Aber es gibt ja Hoffnung: Im Augenblick bin ich sehr angetan von dem was hires in London machen. Das ist konzeptionell und vom Design her sehr stark und die versuchen diesem Medium Emotion einzuhauchen, selbst wenn das vielleicht gar nicht möglich ist.

MetaDesign und Method stehen ja durch den Wechsel einiger Mitarbeiter in einer gewissen Beziehung. Bei einem Neuanfang wirft man immer (wie bei einem Umzug) unnötigen Ballast über Bord. Was hast du über Bord geworfen als Du zu Method gegangen bist?
Obwohl die zwei Jahre bei Meta eine tolle Zeit waren, was mich am meisten enttäuscht hat: die GL hatte ja überhaupt keine Ahnung davon gehabt was die da für ein Wahnsinns-Team hatten. Mit diesen Leuten hätte man soviel bewegen können, aber das haben die nie geblickt, außer vielleicht Erik Spiekermann, der aber damals schon so gut wie ausgebootet war. Als Konsequenz hat sich dieses Team dann ja aufgelöst, weil da von der GL zu wenig Anerkennung kam. Die andere Sache, die mich bei Meta immer total auf die Palme gebracht hat war, daß einfach zu viel gelabert und zu wenig gemacht wurde. Am "Ende" hatten wir fast mehr Projektmanager als Designer und 70% meiner Zeit ging für Meetings drauf, manchmal sogar Meetings um Meetings anzusetzen. Da stimmte etwas fundamental nicht mehr.

Aber was "Ballast abwerfen" betrifft: eigentlich nimmt man Erfahrungen eher mit, und dann stellt man fest, daß es woanders genauso ist. Bei Method gab es vergleichbare Probleme. Kamen noch die unterschiedlichen Kulturen hinzu. In Deutschland ist man ja immer sehr ehrlich mit seiner Meinung. In Amerika, vor allem in Kalifornien nicht so. Da waltet schon manchmal zu viel Vorsicht und eine falsche, weil vorgespielte Achtung, und es ist eigentlich immer alles "great" und "fantastic". Da fehlt dann schnell das Maß und wenn sowieso alles toll ist strengt man sich auch nicht mehr so an.

Was ist Deine derzeitige Position und Aufgabe bei Method?
Auf meiner Karte steht "Director of Innovation". Das klingt erst mal ganz toll, ist aber eigentlich ein Witz. Die hochtrabenden Titel bekamen wir als es anfing bergab zu gehen. Wie ein Verdienstorden sozusagen. Der Krieg ist verloren aber da ihr euch so tapfer geschlagen habt... Wenn es nach dem Alltag ginge könnte da auch "Flash Designer", "HTMLer" oder einfach "Designer" drauf stehen.

Die generelle Tendenz in unserem Buizz war ja bis vor kurzem noch möglichst viel zu beraten und strategisch für den Kunden tätig zu sein ohne visuell zu arbeiten. Inzwischen ist es jedoch schwierig ausschließlich Beratung zu verkaufen. Wie beurteilst Du die Situation? Na ja, wie immer muß sich da Angebot nach der Nachfrage richten. Im Moment ist Consulting halt nicht so gefragt, weil es halt teuer ist und dabei erst mal nichts Sichtbares oder unmittelbar Verwertbares rauskommt. Kein Unternehmen der Welt kann sich das im Moment noch leisten eine ausgeprägte Strategie- Phase zu bezahlen. Das heißt ja nicht, daß das nicht wichtig ist. Nur eben im Moment nicht. Im Moment geht's bei vielen ums Überleben. Da werden alle möglichen Budgets eingefroren. Leider ist auch das Kunden-Anbieter Verhältnis durch das Web radikal verändert worden. Alles hat sich so beschleunigt, daß an eine langfristige Zusammenarbeit gar nicht mehr zu denken ist, und sich daher auch keine langfristige Perspektive mehr ausarbeiten läßt. Strategien brauchen ja meistens sehr viel Zeit bis sie Früchte tragen. Zudem arbeiten viele der großen Unternehmen wie Adobe oder Autodesk mit einer Unzahl von Agenturen gleichzeitig zusammen, die alle unterschiedliche Design-Philosophien haben, die man kaum jemals unter einen Hut bekommt.

Auf unserer Seite, der der Service Anbieter, ist aber auch viele Unsinn gemacht worden. Vor allem weil es eine Zeit lang ja sehr lukrativ war Consulter zu sein. Jetzt merkt man langsam, daß die radikale personelle Trennung der Bereiche Design und Consulting quatsch ist. Das sieht man am besten an solchen reinen Consulting Unternehmen wie Scient oder Sapient, die dann am Ende auch kläglich untergegangen sind. Idealerweise arbeitet man eben nur mit Leuten die sowohl consulten als auch designen können, aber die sind halt schwer zu finden und wenn dann auch sehr teuer.

Bei Method war es anfänglich eigentlich recht ideal. Wir waren ein kleines Team von Designern die eigenverantworlich handelten, gestalteten, ihren Zeitplan selbst einteilten und auch Kundenarbeit leisteten. Dann, 2000, gab es plötzlich soviel Arbeit, daß die Firma sehr schnell wachsen mußte um das alles zu handlen. Natürlich hatte das zur Folge, daß Leute bald keine Zeit mehr hatten alles selbst zu machen und daß die Arbeitsteilung überhand gewann. Die üblichen Folgen waren zerrissene Projektabläufe, Mißverständnisse und Fehleinschätzungen. Die Qualität der Arbeiten litt. Als dann, nach März 2001 der große Knall kam, und wir Leute entlassen mußten, verlangte kein Kunde mehr nach Strategie. Und die Consulting Leute, die noch da waren, halfen plötzlich mit Photoshop Templates!

Von einem Gestalter wird heute mehr denn je die Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Architektur verlangt. Geht die Wertschätzung der reinen Gestaltung durch die Suche nach dem Inhalt verloren?
Das ist eine schwierige Frage. Letztendlich muß da jeder seine eigene Philosophie haben. Mike Abbink, zum Beispiel, einer der Creative Directors bei Method, sieht sich als "craftsman", also als Handwerker. Der ist von Hause aus Typograph und dem geht es in aller erster Linie um perfektes, solide gemachtes, funktionelles und schönes Design. Strategie und Perspektive sind da eher zweitrangig. Am Anfang hatte ich große Probleme damit, daß so jemand eine eigentlich zentrale strategische Rolle im Unternehmen inne hat. Ich auf der anderen Seite bin eher so etwas wie ein Generalist. Mir ist Perfektion im Aussehen nicht so wichtig. Da gibt es noch andere Dinge wie Technologie, Sinn, oder sogar solch weit aus größere Themen wie Philosophie, Geschichte und sogar Politik die da mit hineingehören. Aber das hat eben auch seine Nachteile: Wenn man an allem interessiert ist und sich solche großen Ziele setzt verliert man oft die Leidenschaft und die Kraft etwas zu Ende zu bringen, weil man die Details eben nicht mehr so wichtig nimmt. Letztendlich ist es aber genau eine der Stärken von Method, daß das Design immer top notch ist. DAS ist unser Hauptverkaufsfaktor. Nicht die Strategie oder die Inhalte, sondern so wie es aussieht. Und das geht eben nur wenn man so jemanden wie Mike hat, der großen und unermüdlichen Wert darauf legt, daß das zuerst kommt.

Abgesehen davon, dass die aktuelle Jobsituation sehr schlecht ist würde mich interessieren, was ein Grund wäre Method zu verlassen?
Die Gründe, warum ich jetzt erst mal eine Auszeit genommen habe sind rein persönlicher Natur und haben mit Method eigentlich gar nichts zu tun. Aber wie immer, so gibt es eben auch bei Method interne Machtkämpfe und Profilierungsgehabe und auf Grund der schlechten Marktsituation stimmte die Bezahlung auch nicht mehr. Man darf sich vor allem nicht einreden lassen, daß es in einem Geschäftsverhältnis so etwas gibt wie eine "Familie". Das ist fatal. Wenn der Zeitpunkt kommt, so wie jetzt mit der Marktlage, hören solche pseudo-familiären Verbindungen sehr schnell auf. Method ist da wie jede andere Firma, selbst wenn sein Ruf anders ist, was mich immer amüsiert. Es gibt immer genügend Gründe jemanden zu verlassen.

Du hast inzwischen viele Online Projekte realisiert. Ist die reine Gestaltung einer Site für dich noch interessant oder ist die Voraussetzung für dich die Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Architektur?
Die reine Gestaltung wird für mich immer uninteressanter, ja sogar lästig. Mir kommt es mehr auf die Idee an. Ich finde eine Site wie Google z.B. zehn mal interessanter als alle "design" sites da draußen, (obwohl ich als Designer da natürlich ein paar Änderungen vornehmen würde). Ich vertrete da die etwas streitbare Theorie das etwas nicht unbedingt schön aussehen muß um zu funktionieren.

Wie stehst Du zu redundantem Design, oder der Wiederholung von Gestaltungselementen ohne Funktionalität?
Ich bin da ganz altmodisch. Form follows Function. Wenn ein Design etwas enthält das keine Berechtigung hat, dann ist das für mich kein gutes Design, selbst wenn es noch so schön daherkommt.

Wodurch wirst Du am besten inspiriert?
Meistens von persönlichen Erfahrungen. Es gibt eine handvoll Leute aus meiner Vergangenheit von denen ich sehr viel gelernt habe und die mich durch ihre Arbeit und ihre Persönlichkeit inspiriert haben. Einer davon ist unser ehemaliger Kollege Alexander Baumgardt (Gruß, wenn er das liest). An ihm habe ich immer seine Disziplin, seine Leidenschaft und sein Talent bewundert. Und ein wenig auch sein Durchsetzungsvermögen. Ich habe selten einen Gestalter getroffen der mich mit jedem seiner Designs so überraschte, der immer etwas Neues schaffen konnte, dabei aber doch immer unverwechselbar seine Handschrift mit einbrachte.

Wie viele Stunden sitzt Du vor dem Computer?
Als ich noch Vollzeit bei Method beschäftigt war kamen da schon 10, 12 Stunden zusammen. Jetzt sind's vielleicht 3 oder 4.

Was prägte Deine visuelle Sprache am meisten?
Das wechselt. Natürlich war das erste Typospace von so Leuten wie David Small oder Earl Rennison vom MIT geprägt. Deren Arbeiten waren sehr abstrakt und wissenschaftlich, aber dennoch sehr poetisch. Jetzt würde ich zu einem eher persönlichen Stil tendieren. Ich habe jetzt seit langem mal wieder angefangen Fotos zu machen, persönliche Bilder aus dem Alltag, die ich irgendwie noch verwerten will. Aber im Großen und Ganzen tendiere ich zu einer Art reduzierten visuellen Sprache. Da geht es immer darum sich zu fragen: was kann man noch wegstreichen? muß das wirklich da sein, oder sage ich nicht dasselbe wenn ich das auch noch wegnehme?

Definiere den idealen Arbeitsbereich für Dich.
Hmh. Ideal wäre natürlich so ein Job wie: Reiseberichterstatter für's Fernsehen. Sowas wie Michael Palin, der für den BBC in der ganzen Weltgeschichte rumgurkt. Aber in unserem Bereich, da gefällt's mir schon ganz gut wo ich jetzt bin. Vielleicht ein wenig mehr Theorie und Konzept als Gestaltung.

Arbeitest du heute genauso, wie du vor 5 Jahren gearbeitet hast?
Nein. Es ist wirklich wahr, daß man mit dem "Alter" nicht mehr diese Energie hat und sie auch nicht mehr verschwenden will. Ich möchte keine Wochenden und Nächte mehr opfern. Für keinen außer mich selbst.

Gibt es freie Projekte, die du nebenbei schaffst? Welche sind das und mit wem arbeitest du dabei zusammen?
Konkret gibts eigentlich nichts. Ich habe halt so ein paar Ideen wie diese Tagebuch/Foto Site, die ich jetzt langsam angefangen habe. Das geht so in die Richtung: mehr Persönliches, mehr Erfahrungen, weniger Code Zauberei. Das wird eine DHTML Geschichte -- völlig Flash-frei, ganz einfach, mit großem Schwerpunkt auf die Fotos. Dann habe ich noch einige kleinere Sachen vor. Vielleicht sogar ein update von typospace in der nahen Zukunft.

Liest du zzt. ein Buch/welches?
Michel Houllebecq: Elementarteilchen. Ich wollte einfach mal sehen warum da jeder drüber redet. Ich fand es ein wenig sentimental und unehrlich (gerade weil es so offenherzig daherkommt), aber es ist es wert gelesen zu werden.

Was denken Deine Ältern über das, was du tust?
Die haben eigentlich keinen blassen Schimmer. Aber ich halte ihnen sehr zu Gute, daß sie mich immer machen ließen was ich wollte ohne zu hinterfragen. Langsam allerdings lernen sie ein wenig. Ich habe ihnen mein altes PB überlassen und mein Vater surft schon wie ein Weltmeister.

Wo würdest Du am liebsten leben?
Barcelona. Das ist für mich die perfekteste Stadt in der ich bis jetzt war. Weltstädtisch, aber doch intim. Viel Geschichte und dennoch modern. Liegt am Meer, es ist meistens warm. Tolle Architektur, Bars, Restaurants und Museen. Die Katalanen, die ja ein wenig "deutsch" sind: sehr fleißig, eher verschlossen, aber dann doch eben südlandisch. Und immer sehr elegant gekleidet (sogar die älteren Menschen). In der Stadtverwaltung herrscht ein sehr ausgeprägtes Schönheitsverständnis. Alles von der Architektur, bis zu Straßenschildern bis zu Erscheinungsbildern städtischer und staatlicher Einrichtungen paßt da zusammen. Und Nou Camp ist das größte Stadion in Europa und der FC Barcelona einer der geilsten Fußball Clubs.

Wirst Du zurück nach Berlin kommen oder bleibst Du in NY?
Ehrlich gesagt: weiß nicht. Im Moment bleibe ich in Deutschland, aber es kann jeden Augenblick weitergehen. New York, San Francisco, Berlin, Barcelona.... oder vielleicht Darmstadt, meine Heimat? Das wird nämlich immer wichtiger. Heimat.

Whow!!! Vielen Dank für das Interview...
13|02|2002 Björn Hansen

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